Ich bin in Cardiff geboren und ich liebe diese Stadt. Ich finde Cardiff vereint das Flair europäischer Hauptstädte mit dem gewissen Etwas. Wenn Sie zum ersten Mal hier sind, gibt es natürlich die obligatorischen Highlights, die erstmal abgehakt werden wollen – doch je tiefer Sie in die Stadt eintauchen möchten, desto mehr kann ein bisschen Insider-Wissen nicht schaden. Stellen wir uns also vor, Sie kämen mich übers Wochenende besuchen – dann sind hier einige Orte, an die ich Sie mitnehmen würde.
Aber wo anfangen? Für die erste Orientierung empfehle ich einen Spaziergang durchs Stadtzentrum. In der knapp ein Quadratkilometer großen Fußgängerzone findet man sich schnell zurecht. Begrenzt wird sie durch das Cardiff Castle und das Civic Center, das Verwaltungsviertel, im Norden, den Fluss Taff im Westen und die Bahnlinien im Süden und Osten der Stadt. In diesem Bereich liegt ein Großteil der Einkaufzentren, der vielen kleinen Geschäfte und Boutiquen sowie der Pubs, Restaurants und Bars – die schönsten davon wiederum in den verschiedenen historischen Arkaden aus der Zeit Queen Victorias und King Edwards VII. Aber hierzu später mehr.
Um zu erfahren wie Cardiff schmeckt, statten Sie am besten dem Cardiff Market einen Besuch ab, in dem in den letzten Jahren eine kleine Foodie-Revolution stattgefunden hat. Neben den Obst- und Gemüse-Ständen in der schönen viktorianischen Markt halle gehören auch die Cheese Pantry mit ihren köstlichen britischen Käsesorten, Holy Yolks mit Spezialitäten aus walisischen Eiern und der Hard Lines Coffee Shop und Rösterei sowie Ffwrnes mit leckeren Pizzas. Ringsum stehentraditionelle Marktstände an denen Sie Welsh Cakes, Brot, Fleisch und Fisch kaufen können. Außerdem gibt es auf dem umlaufenden Balkon einige Cafés im Diner-Stil, in denen man bei einer Tasse Tea auch gut Leute beobachten kann. Und Sie sollten bei Kelly’s Records vorbeizuschauen – einmal durch die Kisten voller Schallplatten zu stöbern ist hier Pflicht.
Gleicht gegenüber dem östlichen Eingang der Markthalle steht die hübsche St John’s Church. St John’s ist eines der ältesten Bauwerke in Cardiff, Teile der Kirche stammen aus dem 12. Jahrhundert. Wenn Sie die Anstrengung nicht scheuen, steigen Sie die Stufen im Glockenturm nach oben und genießen die Aussicht über die Stadt. An den kleinen Park grenzt Yr Hen Lyfrgell („Die alte Bibliothek“). In ihr befindet sich heute das walisische Kulturzentrum mit einer Dauerausstellung über die Geschichte Cardiffs und mit einer wunderbaren Café-Bar namens Llaeth & Siwgr (Milch & Zucker) im Obergeschoss, in dem Walisisch gesprochen wird (natürlich kann man auch auf Englisch bestellen) und in dem typisch walisische Spezialitäten serviert werden.
Sie lieben Flohmärkte und Antiquitäten? Dann sollten Sie unbedingt in den Jacobs Market, ein riesiges Geschäft über drei Stockwerke voller Antiquitäten, Kunst und Kuriositäten. In der Womanby Street, einer der ältesten Straßen Cardiffs, befindet sich das Castle Emporium, in dem kleine unabhängige Läden und Galerien angesiedelt sind. Unsere Favoriten sind die Sho Gallery im ersten Obergeschoss und Heads Above the Waves – ein sozial engagierter Merch-Shop mit tollen Fundstücken.
Andere wichtige Orte im Stadtzentrum, die man sich nicht entgehen lassen sollte, sind etwa Spiller’s Records (der älteste Plattenladen der Welt!), Hobo’s Vintage Clothing (in dem sich die unangepasste Szene Cardiffs seit 1994 mit Second-Hand-Kleidung eindeckt) und Pen and Paper (ein hundefreundlicher Laden für Schreibwaren und Kunstbedarf).
Nicht verpassen...
...sollten Sie das National Museum Cardiff, in dem die größte Sammlung impressionistischer Kunst außerhalb von Paris zu sehen ist – sogar bei freiem Eintritt! Die zusätzlichen Sonderausstellungen wechseln mehrmals im Jahr. Für mehr Informationen lohnt sich ein Blick auf die Website des Museums.
Das Cardiff Castle bildet das Herzstück der Stadt und es erzählt die jahrtausendealte Stadtgeschichte an nur einem einzigen Ort: Die Mauern stammen teils aus der Römerzeit, im Innenhof steht mit dem Keep der Hauptturm einer mittelalterlichen normannischen Festung aus dem 11. Jahrhundert und das prunkvolle viktorianische Märchenschloss wurde vom 3. Marquess of Bute eingerichtet wurde. Dieser war – in den 1860er Jahren – durch seine Gewinne aus den Kohlenexporten vom Hafen in Cardiff der reichste Mann der Welt und gab für das Anwesen im Stil der Neugotik eine Menge Geld aus. Machen Sie unbedingt eine der Führungen mit. Spazieren Sie nach Ihrem Besuch an der Burgmauer, der Animal Wall, gen Westen zum Eingang in den weitläufigen Bute Park. Ein wunderschöner Stadtpark, von dem aus auch die Wassertaxis zur Cardiff Bay abfahren.
Die Cardiff Bay
Ein Grund dafür, dass Cardiff überhaupt zur Stadt wurde, ist die Cardiff Bay. Damals noch „Tiger Bay“ genannt, war sie im 19. Jahrhundert der weltweit größte Kohleexporthafen. In den 1990er Jahren wurde in der Bay ein Staudamm erbaut, um die Flüsse Taff und Ely zu einem großen Süßwasser-„See“ aufzustauen. Heute kann man hier ganz gemütlich mit Ausflugsbooten (oder wahlweise auch mit Schnellbooten) auf Entdeckungstour gehen.
Ein Rundgang um die Cardiff Bay lohnt sich in jedem Fall, nicht zuletzt wegen der spannenden Mischung aus historischer und moderner Architektur. So finden sich ausgefallene Gebäude wie die Senedd (Hauptsitz der walisischen Nationalversammlung) oder das Opern-, Konzert- und Kulturzentrum, das Wales Millennium Centre, gleich neben historischen Bauten wie dem Pierhead-Building. Nur wenige Schritte entfernt erwartet Besucher die Norwegian Church, in welcher der in Cardiff geborene Autor Roald Dahl getauft wurde. Unweit hiervon liegt das Neubauviertel Porth Teigr, in dem das „Drama Village“, also der Produktionsstandort der BBC Cymru, beheimatet ist. Mein Tipp: Spazieren Sie von hier aus entlang des Ufers in Richtung des Naturschutzgebietes Cardiff Bay Wetlands, unweit des luxuriösen St David’s Hotel & Spa. Im wunderbaren Kontrast zu den Wetlands, einem echten Highlight für passionierte Ornithologen, steht das quirlige Treiben am Mermaid Quay mit seinen vielen Pubs und Restaurants.
Kulinarisches Cardiff
Wales ist für seine erstklassigen regionalen Produkte bekannt. Das bedeutet, wenn Sie walisische Lachsforelle (Sewin), walisisches Black Beef, frisch gefangenen Seebarsch, Hummer, Herzmuscheln oder die Algenspezialität Laverbread auf der Karte sehen: Schlagen Sie zu! In der Markthalle zum Beispiel gibt es bei Ashton’s Fishmongers (dem ältesten Stand auf dem ganzen Markt) kleine Becher mit Herzmuscheln und einem Schuss Essig verfeinert direkt auf die Hand. Lecker!
Kulinarische Meisterwerke entstehen auch, wenn die walisische Küche auf die internationale trifft – und vor allem die spanische liegt derzeit voll im Trend. In der Westgate Street gibt es zwei fantastische Tapas-Bars: Die Bar 44 und das Curado. Auch empfehlenswert ist das von der nordspanischen Küche beeinflusste Asador 44 und, etwas außerhalb der Stadt, das katalanische La Cuina.
Im Potted Pig steht moderne britische Küche auf der Speisekarte und sein Schwestern-Restaurant Porro ist ein Highlight im nahegelegenen Llandaff, wenn Sie Lust auf einen kleinen Ausflug haben. Auch im Milkwood in Pontcanna sind Auswahl und Service erstklassig – gehobene Küche ganz ohne spießig zu sein.
Aber die spannendste Bewegung ist aktuell der Trend zu Streetfood-Locations im Guerilla-Stil, etwa in der Streetfood-Markthalle Sticky Fingers im Brewery Quarter. Sich hier auf einen Favoriten festzulegen, fällt wirklich schwer, aber wo es mich immer wieder hinzieht, ist zu The Two Anchors, in dem Fisch und Meeresfrüchte einfach immer lecker schmecken. Aktuell ist die Sticky Fingers Bar auch der einzige Ort in Cardiff, an dem Sie auf der Suche nach der trendigen Biermarke Old Blue Last Lager fündig werden.
Pubs, Bars und Inns
Womit wir beim nächsten Thema wären … Cardiff ist gerade an den Wochenenden gut von Pub-Fans besucht. Wenn Sie auf der Suche nach typischen Bars sind, brauchen Sie eigentlich gar keine Hilfe. Gehen Sie einfach in Richtung St Mary Street oder Greyfriars, wo das Club- und Nachtleben Cardiffs zuhause ist.
Für ein etwas ausgefalleneres Cocktail-Erlebnis empfehle ich das kleine Lab 22 und die Flüsterkneipe Dead Canary. Oder Sie gehen einfach zur oberen St Mary Street, an der gerade etliche neue Bars eröffnet wurden, wie das Gin & Juice an der Castle Arcade, in dem es über 350 verschiedene Gin-Sorten gibt, oder das Rum & Fizz genau gegenüber.
Natürlich spielen Pubs grundsätzlich eine wichtige Rolle in der britischen Ausgehkultur und da ist auch Cardiff keine Ausnahme. Die Pubszene ist geprägt von der größten Brauerei der Stadt, Brains. Wenn Sie nur Zeit für einen Pub haben, sollte es auf alle Fälle das City Arms sein, das immer eine große Auswahl besonderer Ale-Sorten hat. Wer es lieber individuell mag, sollte ins Tiny Rebel gehen, das für Craft-Ales berühmt ist und ein buntes Programm aus Sportübertragungen, Live-Musik und sogar Brettspielabenden bietet.
Mein persönlicher Lieblings-Ausgehort ist nicht direkt eine Kneipe oder Bar, sondern ein Nacht-Café. Das Sully’s Café in der Quay Street verwandelt sich Abend für Abend in das Blue Honey Night Cafe. Hier gibt es ein regelmäßig wechselndes Menü, am Wochenende legen Live-DJs auf und es finden Karaoke-Abende statt, die jeden zum Mitsingen einladen.
Für eine gepflegte Kneipentour außerhalb der Innenstadt fahren Sie über die Cathedral Road in Richtung Llandaff. Unterwegs kommen Sie an etlichen guten Pubs vorbei (in die Sie im Idealfall auch einkehren), darunter das Cricketers und das Conway (in dem es übrigens auch sensationelles Pub-Food gibt). Schließlich sollten Sie noch in Pontcanna Halt machen, einem hippen Stadtteil der gerade bei jungen Familien angesagt ist. Entsprechend groß ist die Dichte an Cafés und Restaurants.
Locals treffen
Wenn Sie die Region außerhalb des Stadtzentrums kennenlernen möchten, empfehle ich den Besuch zweier Vororte Cardiffs. Am einfachsten zu erreichen ist Canton: Überqueren Sie die Brücke westlich des Schlosses und gehen dann weiter in Richtung des Chapter, einem innovativen Zentrum für Kunst, Film und Theater. Hier steht immer etwas Spannendes auf dem Programm, die Bar ist empfehlenswert und die Gäste, die hier herkommen sind freundlich und offen. Auf dem Weg kommen Sie an etwa einem Dutzend richtig guter Imbiss-Restaurants vorbei, die meisten mit südasiatischer Küche.
Die beste Auswahl an authentischer internationaler Küche gibt es aber am anderen Ende der Stadt auf der City Road, die viele Einheimische schon als Cardiffs „Internationale Meile“ bezeichnen. Hier finden sich Spezialitäten aus so ziemlich jedem Winkel des Mittleren und Fernen Ostens sowie Südasien.
Und wenn Sie mit den coolsten Kids der Stadt abhängen wollen, empfehle ich einen Besuch im Porter's. Hier gibt es kaltes Bier und wahnsinnig komische Live-Unterhaltung.
Live-Musik
Wenn Sie Ihren Stadtbesuch mit einer der großartigen Shows im Wales Millennium Centre verbinden können, erwartet Sie ein echtes Erlebnis. In dem architektonisch eindrucksvollen Gebäude in der Cardiff Bay finden diverse Musicals, Theateraufführungen, Konzerte und Inszenierungen der Welsh National Opera sowie das beliebte Festival of Voice statt. Im Stadtzentrum bietet die St David's Hall ein buntes Programm aus Rock, Folk und Comedy. Das eigentliche Highlight sind dank der fantastischen Akustik aber die Klassikkonzerte: Hier spielt etwa das BBC National Orchestra of Wales, das auch die jährliche Veranstaltung Welsh Proms und den hochkarätigen Wettbewerb BBC Cardiff Singer of the World veranstaltet. Über ein ganzes Wochenende im Oktober verteilt finden im Rahmen des Sŵn Musik-Festivals Veranstaltungen in verschiedenen Locations in ganz Cardiff statt.
Zusätzlich gibt es eine aktive Underground-Musikszene in den Bars und Clubs der Stadt. Termine finden sich etwa im kostenlosen Stadtmagazin Buzz. Wenn Sie spontan Lust auf einen Abend mit Live-Musik oder einen Club haben sind meine Favoriten The Moon, Clwb Ifor Bach (oder „Walisischer Club“), das Undertone, die Gwdihŵ Café Bar und das Tramshed.