Schon vor Jahrhunderten war Wales ein beliebtes Ziel für Reisende vom europäischen Festland. Im 18. Jahrhundert zog es Künstler zu den vielen Burgruinen, Landschaftsmaler kamen wegen des Lichts an die Küste, Sprachenforscher reisten auf der Suche nach walisischer Lyrik und Legenden durchs Land. Die Reichen und Schönen fuhren in die Seebäder an der Küste oder ins Hinterland auf der Suche nach ländlicher Idylle. Viele Reisende hielten ihre Erlebnisse in Tagebüchern, Briefen, Büchern und Publikationen fest.
Die ausführlichen Aufzeichnungen von über 35 berühmten Persönlichkeiten hat jetzt ein Forscherteam der Bangor University in Nordwales zusammengetragen, um Reisenden der Gegenwart das Wales der Vergangenheit näherzubringen. Unterteilt sind die Erinnerungen in neun thematische Streifzüge: Entlang der Küste, durch die vielseitige walisische Landschaft, durch Städte und Dörfer, in Schlösser, Burgen und Herrenhäuser sowie zu Orten der Industriegeschichte. Auch den Mythen und Legenden vergangener Jahrhunderte kann man mit den Informationen des Forschungsprojekts auf die Spur gehen, genau wie der religiösen Geschichte des Landes im Südwesten Großbritanniens.
Der wohl bekannteste Verfasser ist der Schriftsteller und Weltreisende Fürst von Pückler-Muskau. Für seine 1828 erschienenen „Briefe eines Verstorbenen“ reiste er unter anderem durch die Landschaften von Nordwales. Im kleinen Städtchen Llangollen etwa besuchte er die „Ladies of Llangollen“ – Eleanor Butler und Sarah Ponsonby. Die beiden kapriziösen und emanzipierten Damen, die 1778 nach Llangollen kamen, galten als Exzentrikerinnen, Blaustümpfe und Salonlöwinnen, die viele Berühmtheiten zu Gast hatten, darunter den Dichter William Wordworth und Herzog von Wellington. Fürst Pückler-Muskau nannte die Ladies respektvoll „die berühmtesten Jungfrauen Europas“.
Wie kein Zweiter formte der Ingenieur Thomas Telford (1757-1834) die Infrastruktur von Nordwales. Anhand historischer Zeitzeugenberichte können Touristen heute entlang seiner beeindruckenden Poststraße zwischen Holyhead und Llangollen auf Entdeckungstour quer durchs Land reisen und dabei beeindruckende Brücken, Kanäle und Aquädukte bestaunen. Eines von Telfords bekanntesten Bauwerken ist die 416 Meter lange Menai-Hängebrücke, die 1826 fertiggestellt wurde. Der deutsche Wissenschaftler Friedrich Hausmann etwa beschrieb die Brücke als „die größte und schönste Brücke dieser Art“.
Auch Gottfried Wenzel von Purgstall (1773-1812) berichtete in seinen reisebeschreibenden Briefen von den walisischen Landschaften. Darin heißt es unter anderem: „Caerphilly ist in Glamorganshire. Wenn die Gegend in Wales derjenigen, die sich zwischen Cardiff und hier zeigt, ähnlich ist; so ist es allerdings der Zeit werth, eine Reise durch dieses Land zu machen.“
Neben historisch belegten Persönlichkeiten und Orten finden auch die Mythen und Legenden aus Wales in etlichen Reiseberichten Erwähnung. Eine der berühmtesten ist die Geschichte von Myrddin, dem Namensgeber der südwestwalisischen Stadt Carmarthen. Aus dem Dichter, dem man prophetische Talente nachsagte, soll sich die Figur des Merlin aus der Legende um König Artus entwickelt haben, die bis heute weltbekannt ist.
Neben den Einblicken in die Geschichte und Kultur von Wales durch die Verknüpfung historischer Quellen mit moderner Technologie, stehen neben Bildergalerien auch Karten, kurze Filme und digitale Inhalte wie 360°-Gigapixel-Touren auf der Website zur Verfügung. Spannend sind auch die digitale Rekonstruktion von Städten und Gebäuden, ein Film über das Industrieerbe Merthyr Tydfils sowie ein Virtual-Reality-Rundgang durch Tintern Abbey zur Zeit der Romantik.