Es war eine lange Fahrt. Wir schieben die Tür auf, machen es uns auf der Sofabank bequem und genießen die warme Brise, die den Campervan im Nu mit salziger Meerluft füllt. Schon länger hatten meine Partnerin Heleyne und ich uns darauf gefreut, von unserem Stellplatz am Ty Newydd Farm Campsite den Abschnitt des Wales Coast Path auf der Halbinsel Llŷn zu erkunden. Die schmale Halbinsel ragt im Nordwesten von Wales in die Irische See. Wir wussten im Vorfeld, dass viele Campingplätze gut ausgelastet sind und buchten deshalb frühzeitig – und wir wurden nicht enttäuscht.
Küstenlandschaften
Am ersten Tag wanderten wir von der Farm aus einen 16 Kilometer langen Rundweg um die wilden Klippen an der Spitze von Llŷn – entlang der Nordküste über die schmalste Stelle der Halbinsel bis hinunter nach Aberdaron, wo der berühmte walisische Dichter R. S. Thomas einst als Vikar predigte und zurück entlang der Südküste. Ein Spaziergang über offene Heidelandschaften, vorbei an geheimnisvollen Buchten zu Landspitzen, auf denen Forts an die Vergangenheit erinnern, und von den Wellen umtosten Klippen. Auf dem Großteil des Wegs sorgen die gut platzierten Wegweiser des Wales Coast Path für beste Orientierung.
From Mynydd Mawr (walisisch für: „großer Berg”) konnten wir am diesigen Horizont die Hügel der irischen Region Wicklow erspähen. Nur wenige Kilometer vor Küste liegt die zu Wales gehörende Insel Bardsey Island (Ynys Enlli). An diesem Ort trifft Geschichte auf Legenden: Hier soll eine der frühesten keltischen Kapellen erbaut worden sein und es heißt 20.000 walisische Heilige wären hier begraben. Bootsausflüge werden im Sommer fast täglich angeboten.
Die Anreise zur Halbinsel Llŷn ist nicht ganz einfach, doch für mich war der Hinweg schon eine Attraktionen. Nach der Abfahrt vom North Wales Expressway A55 bei Bangor geht es erst die Umgehungsstraße A487 bei Caernarfon und dann über schmaler und schmaler werdende Straßen in idyllische Landschaften, in denen die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Hier muss man einen Gang zurückschalten – wörtlich und bildlich gesprochen – und das fällt einem auch überhaupt nicht schwer. Man hat das Gefühl als reise man in eine andere, weniger hektische Welt.
Camperleben leicht gemacht
Den Einkauf für den Vorratsschrank im Campervan haben wir in Pwllheli an der Südküste erledigt, aber auch unterwegs in kleineren Städten und Dörfern wie Nefyn, Llanbedrog, Abersoch und Aberdaron gibt es genügend kleinere Lebensmittelmärkte. Auf unseren Wanderungen haben wir immer wieder tolle Pubs zur Einkehr gefunden, darunter das wunderschön gelegene Tŷ Coch Inn in Porth Dinllaen, in dem die Terasse direkt am Strand liegt. Wer nach Fish und Chips sucht – und wer tut das nicht so direkt am Meer? – sollte bei Sblash in Aberdaron vorbeischauen.
Das Abstellen von Wohnmobilen kann gerade in Küstenregionen, in denen Parkplätze häufig Höhenbeschränkungen unterliegen, zum Problem werden – auf Llŷn hatten wir damit aber überhaupt keine Probleme. Sogar am beliebten Surferspot in der Bucht Porth Neigwl gibt es vor dem eigentlichen Parkplatz eine Abstellmöglichkeit für größere Fahrzeuge. Von hier aus haben wir einen Abstecher nach Mynydd Cilan gemacht, zur südlichsten Spitze der Halbinsel Llŷn. Bei unserer Wanderung konnten wir unterwegs zwei ausgewachsene Alpenkrähen dabei beobachten, wie sie mit ihren gebogenen roten Schnäbeln Insekten aus dem Boden zogen und zwei Jungtiere damit fütterten. Dass die ungewöhnlich aussehenden Tiere aus der Familie der Rabenvögel das Symbol des Gebiets von außerordentlicher Naturschönheit (AONB) Llŷn sind, wird an Orten wie hier überdeutlich – obwohl die Art selten ist, haben wir unterwegs einige gesehen.
Auf nach Eryri (Snowdonia)…
Bei einer anderen Reise waren wir mit unserem Campervan in Eryri (Snowdonia), um am Rande des dortigen Nationalparks auf dem Wales Coast Path wandern zu gehen. Der 79 Kilometer lange Abschnitt von Porthmadog nach Aberdovey liegt im Schatten der Strecke der Cambrian Coast Railway. Die regelmäßigen Verbindungen mit Halt an 20 Stationen sorgen hier dafür, dass man prima an einigen Campingplätzen sein Lager aufschlagen und den Wagen ein paar Tage stehen lassen kann, während der Zug einen zu neuen Startpunkten am Wanderweg und wieder zum Nachtquartier zurück bringt. Für die Nordhälfte war unsere Basis ein Platz in Harlech, im Süden schlugen wir im Hendre Mynach Caravan Park bei Barmouth unser Quartier auf. Auf beiden Plätzen gibt es eine exzellente Infrastruktur mit Duschen und Toiletten, Gelegenheiten zum Wäsche waschen und Entsorgungsstationen. Für Familien gibt es Kinderspielplätze.
Wenn man zwischen längeren Tagesetappen (19 bis 23 Kilometer) und kürzeren (10 bis 15 Kilometer) abwechselt, bleibt genug Zeit, um einfach mal die Seele baumeln zu lassen und unterwegs einige Sehenswürdigkeiten zu besichtigen. Empfehlenswert sind das Dorf Portmeirion, das in seinem typisch italienischen Stil exotisch anmutet, die stolzen Mauern der Ruine Harlech Castle sowie die Bahnstrecke der Talyllyn Railway, die seit 1951 als erste Museumsbahn der Welt betrieben wird. Die 11,6 Kilometer lange Schmalspurbahnlinie wurde Mitte der 1860er erbaut und diente dem nahegelegenen Schieferbruch zum Abtransport an die Küste. Nach dessen Stilllegung im Jahr 1947 sah es kurz danach aus, als würde auch die Bahnstrecke zurückgebaut, bis sich eine Gruppe Ehrenamtlicher der Sache annahm, die Restaurierungsarbeiten anging und den Betrieb seither selbst organisiert. Die nostalgischen Geräusche der Dampflok, die schnaufend durch die hügelige Landschaft zuckelt, machen den Ausflug zu einem besonders schönen Pausenstopp für die Wanderer des Wales Coast Path.
Die längsten Strände
Zurück auf dem Küstenweg führte unsere Wanderung vorbei an bewaldeten Mündungsgebieten, artenreichen Salzwiesen und zu einigen der längsten Strände, die ich je gesehen habe, darunter der hübsche Strand Morfa Dyffryn. Hinter den Stränden von Snowdonia liegen gigantische Dünengebiete: Wenn man hier am Strand entlang läuft bekommt man das herrliche Gefühl, ganz allein zu sein und abgeschnitten vom Rest der Welt. Hier gibt es dann nichts außer Sand, Meer und atemberaubende Ausblicke: Im Norden erstreckt sich die Halbinsel Llŷn in die riesige blaue Unendlichkeit des Meeres, im Osten sieht man die höchsten Berge von Wales, darunter den deutlich erkennbaren Mount Snowdon (Yr Wyddfa).
Die Natur, so faszinierend sie auch sein mag, tritt in Barmouth beim Überqueren der breiten Mawddach-Mündung über die Barmouth Bridge für einen Moment in den Hintergrund. Das 820 Meter lange Bauwerk, das 1867 als Eisenbahn- und Fußgängerbrücke gebaut wurde, besteht aus einem hauptsächlich aus Holz gebauten Viadukt sowie einem Drehbrückenabschnitt aus Stahl, der geöffnet werden konnte, um größeren Schiffen die Passage zu ermöglichen. Im Normalfall dauert die Überquerung gute zehn Minuten, man sollte sich aber unbedingt etwas Zeit lassen und die Landschaft genießen. In eine Richtung mündet der Fluss ganz gemächlich in die Cardigan Bay (Bae Ceredigion), Richtung Inland erheben sich die Berge bis zum Cader Idris, der höchsten Erhebung im Süden von Eryri (Snowdonia). Die perfekte Kombination aus Bergen und Meer – und ganz typisch für den Coast Path im Norden von Wales.