Ich war noch nie an einem Ort in Wales, der mit Ruthin vergleichbar ist. Ruthin wird übrigens Rith-in ausgesprochen: nach rhudd, was tiefrot bedeutet, und din, was Fort heißt und sich auf die berühmte Burg der Stadt bezieht). Ruthin ist wie eine wunderbare Geschichtsstunde des Landes in Miniaturformat. Wenn man den Berg hinunter zur Burg geht, taucht man ein in die turbulente mittelalterliche Vergangenheit von Wales. Und den Berg hinauf zur Stadt präsentiert sich einem die Zeit der Tudors, umgeben von der coolen, kultivierten Gegenwart, alles an einem Ort.
In Ruthin kann man zudem sehr gut essen, einkaufen, moderne Kunst bestaunen und unglaubliche Aussichten genießen und dabei von drei neugierigen Pfauen beäugt wird, wenn man so viel Glück hat wie ich. Schütteln wir also stolz unsere Pfauenfedern und gehen gemeinsam auf eine Reise in die Vergangenheit.
Wir starten am mittelalterlichen Schloss...
Ruthin Castle hat viele Geschichten zu erzählen. Es hat den Aufstand des walisischen Nationalhelden Owain Glyndŵr gegen die englische Herrschaft in Wales um 1400 überstanden sowie eine sechzehnwöchige Belagerung während des englischen Bürgerkriegs. Es ist ein seltsam schöner und zugleich märchenhafter Ort mit mittelalterlichen Mauern, die noch von der ursprünglichen Burg aus dem 13. Jahrhundert stammen. Damals trug es den Namen Castell Coch yng Ngwern-for (Rote Burg im Marschland).
Außerhalb der Burgmauern steht ein Schild, das auf das Grab von Lady Grey verweist. Lady Grey war eine Würdenträgerin aus dem Mittelalter, die nach dem Mord an ihrem Mann zum Tode verurteilt wurde. Geisterjäger berichten, dass ihre verhüllte, silbrige Gestalt auf den Zinnen der Burg spukt. Glücklicherweise wurde ich nur von drei der prachtvollen Pfauen des Schlosses verfolgt.
Das Schloss – heute Ruthin Castle Hotel mit Spa, einer Thermalsuite und Fitnessraum – wurde im 19. Jahrhundert größtenteils aus rotem Sandstein wiederaufgebaut und um wunderschönen Gärten im italienischen Stil erweitert. Noch heute kann man verträumt durch sie spazieren. König Charles III., der damalige Prinz von Wales, übernachtete im Schloss, bevor er 1969 in Caernarfon in sein Amt eingeführt wurde.
Weiter geht's zum Stadtzentrum
Im Zentrum der Kleinstadt befindet sich eine Gedenktafel, die zeigt, wo Owain Glyndŵr die erste Flamme des walisischen Aufstands entzündete. Das war nur zwei Tage, nachdem er zum Prinzen von Wales erklärt worden war. Ein großer Teil von Ruthin und der Burg wurden damals zerstört, aber aufgrund der Bedeutung der Stadt an der Grenze wurde schnell mit dem Wiederaufbau begonnen.
Einen guten Einblick in die Geschichte der Stadt erhält man auf dem brillanten Ruthin Art Trail, der gleich außerhalb der Stadt am Ruthin Craft Centre beginnt. Das moderne Kunstzentrum und Galerie ist schon allein wegen seiner wunderbaren Ausstellungen und der originellen Auseinandersetzung mit der Geschichte von Wales und der Stadt selbst einen Besuch wert. Von dort aus wird man zu zehn, in die Stadtmauern von Ruthin eingelassenen Gucklöchern geführt, die Details zur walisischen Mythologie und Geschichte zeigen. Zweiundzwanzig weitere Figuren sind in Schaufenstern und auf Dächern versteckt, an Bäumen und Bänken. Es gibt sogar einen Audioführer für diesen wunderbaren Weg.
Und dann der Tudorstil...
In dem, unter Denkmalschutz stehende Haus Nantclwyd y Dre in der Castle Street, ist heute fantastisches Heimatmuseum untergebracht, das seine Besucher durch das Leben und die Zeiten seiner zahlreichen Bewohner führt. Es wurde größtenteils in der frühen Tudorzeit erbaut und zeigt das Leben im 15. Jahrhundert hinter gewachsten Leinenfenstern, eine Toilette aus dem 17. Jahrhundert, ein viktorianisches Gebäude, das als Mädchenschule diente und vieles mehr. Da die Öffnungszeiten des Museums variieren, informieren Sie sich bitte vorab auf der Website. Außerhalb der Saison können über die Website des Denbighshire Councils auch Besichtigungen organisiert werden.
Landschaftlich hoch hinaus...
Wer sich für Antiquitäten interessiert, finden in Ruthin einige schöne Geschäfte. Die vielen Ecken und Winkel des Städtchens verbinden auf wunderbare Weise Vergangenheit und Gegenwart miteinander.
Für einen wunderbaren Ausblick auf die herrliche Landschaft muss man hoch hinaus: auf den berühmten Horseshoe Pass (Bwlch yr Oernant auf Walisisch). Die 1811 erbaute Höhenstraße zwischen dem Llantysilio Mountain im Westen und Cyrn-y-Brain im Osten ist ein Triumph des Straßenbauwesens des 19. Jahrhunderts. Der Pass verläuft hufeisenförmig an den Seiten des Tals, was der Straße ihren Namen gab. Achten Sie beim Befahren aber unbedingt auf die Schafe, die die Aussicht von hier oben genauso genießen wie die Waliser.
Wer nach der atemberaubenden Strecke seine Nerven beruhigen möchte, kann ins Ponderosa Café auf der Passhöhe einkehren und einen Tee oder Sandwich genießen.
Zurück im Städtchen...
Zu den beliebtesten Restaurants in der Umgebung zählt das unter Denkmalschutz stehende Manorhaus Restaurant im georgianischen Stil, das von Donnerstag bis Samstag abends moderne Menüs serviert. Oder wie wäre es mit einem Kino-Club-Abende im Picturehaus, einem gemütlichen georgianischen Keller mit 20 bequemen Sesseln und Tischen, an denen Cocktails und Eis in der Filmpause serviert werden.
Könnten Vergangenheit und Gegenwart wirklich besser zusammenpassen? Tausend Jahre an einem Tag in einer kleinen Stadt, einfach so. Ein anderer Tag wird mich bald zurückrufen.