Als ich beschloss, eine Langstreckenwanderung in Wales zu unternehmen, lag es einfach auf der Hand, den Wales Coast Path mit einzubeziehen. Er lässt sich perfekt mit dem Offa's Dyke Path kombinieren, so dass man Wales einmal umrundet – sozusagen immer am Rand entlang zwischen Land und Meer.
Nach meiner Diagnose Eierstockkrebs wollte ich eine Spendenaktion durchführen und beschloss, den Weg zum Krankenhaus zu Fuß zurückzulegen – zu meinen Terminen und zwischendurch durch Wales zu laufen. Ich habe ein Faible für großartige Ideen und so fügte ich immer weiter neue und interessante Routen und andere Teile von Wales meinen Wanderungen hinzu, die ich gerne noch sehen wollte. Am Ende kam ich auf eine Gesamtlänge von 5955 Kilometern! Der Küstenwanderweg bildete das Zentrum meiner walisischen Wanderung – der Weg, der all die interessanten Routen im Landesinneren miteinander verbindet, die ich einbeziehen wollte.
Mit viel Optimismus machte ich mich auf den Weg und wanderte einige hundert Kilometer ohne Probleme auf dem Severn Way und dem Offa's Dyke Path, bis ich den nördlichen Abschnitt des Coast Path in Prestatyn erreichte, wo mich die silbernen Säulen des Offa's Dyke Monuments an der Küste begrüßten.
Es war geradezu ein leichter Spaziergang an der Nordküste entlang. Der Weg verläuft hier meist flach über die Promenaden der Küstenstädte mit Blick auf die Windräder weit draußen im Meer, die ein interessantes Gittermuster aufs Wasser zeichnen. In Llandudno lieft ich bis zur Spitze des Great Orme, dort wo die zotteligen Kaschmirziegen den steilen Hang abseits des Weges hinaufkletterten.
Ursula MartinWandern ist ein wunderbares Elixier, eine lebensverändernde Erfahrung.“
Als ich Conwy erreichte, wurde es wirklich richtig schwierig; ich litt unter starken Fußschmerzen, die sich als Fersensporn herausstellten. Jeder Langstreckenwanderer weiß, dass der Zustand der Füße ein ständiges Thema ist und man sich sehr um sie kümmern muss, vor allem, um Blasen und wunden Stellen vorzubeugen. Aber dieses Mal war es viel schlimmer als sonst. Ich lag nachts wach und hatte Schmerzen in den Fersen. Es war ein harter Wandertag an der Conwy-Mündung, an dem ich mehr humpelte als lief. Ein echter Krisenpunkt und ich fühlte mich überhaupt nicht in der Lage, weiterzumachen.
Doch Aufgeben war keine Option; so manches Mal fühlte ich mich niedergeschlagen beim Gedanken an die vielen Kilometer, die noch vor mir lagen. Aber ich beschloss, weiterzumachen und einfach so viel zu tun, wie ich konnte; versuchen, mich zu entspannen und ohne Druck und eine bestimmte Kilometeranzahl täglich zu laufen. Es half mir, mich regelmäßig auszuruhen und meine Füße so oft wie möglich in kaltes Wasser zu tauchen, was in der Nähe des Meeres leicht ist. Ein wunderbares Gefühl!
Jeden Tag nur so viel zu laufen, ohne mich dabei zu sehr anzustrengen, bedeutete, dass ich die große Herausforderung, die ich mir selbst gestellt hatte, tatsächlich weiter bewältigen konnte. Meine Füße sind zwar nicht geheilt, aber die Schmerzen wurden erträglicher. In der Silvesternacht zeltete ich im Freien und hörte das ferne Feuerwerk von Bangor. Dann sah ich mich den Umrundungen der Insel Anglesey und der Halbinsel Llŷn während der wilden Januarstürme gegenübergestellt. Wind und Meer peitschten an die Klippen und erst weiter südlich in der Cardigan Bay wurde die See sanfter.
Auch wenn man gut ausgerüstet sein muss, sollte man sich von windigen Winterwanderungen nicht abschrecken lassen; der frische Wind gibt einem Schwung und Elan und man spürt eine wahnsinnige Energie, wenn man sich entlang der Klippen bis zur nächsten Rast und einer Belohnung vorgearbeitet hat – vielleicht ein paar heiße, salzige Pommes eingewickelt in Papier, die umso besser schmecken, je mehr Mühe man sich gemacht hat, um zu erreichen. Ich kehrte in viele Pubs ein, deren Türen mit Sand bedeckt und deren Fenster beschlagen waren. Das waren tolle Orte, um eine Pause einzulegen, einen Kaffee oder eine heiße Schokolade zu trinken, manchmal auch mit einem Schuss Rum für etwas zusätzliche Wärme.
Ursula MartinHinter jeder Landzunge lag immer wieder ein anderer herrlicher Strand.“
Und so arbeitete ich mich Stück für Stück den Weg entlang der walisischen Küste und erlebte lange flache Abschnitte und felsige Klippen, winzige Buchten, die groß genug für ein paar dümpelnde Boote waren, bis hin zu kilometerlangen weiten Sandstränden. Ich bin sie alle durchwandert, Tag für Tag, zu jeder Jahreszeit.
Als ich die Küste von Pembrokeshire erreichte, war es Sommer – Eiscreme triefte und glückliche Familien spielten am Strand. Die Schwierigkeit einiger der steilsten Klippenabschnitte des Weges wurde durch das wunderschöne türkisfarbene Meer und die Möglichkeit, Seehunde zu sehen, die sich in den Buchten weit unten tummelten, wieder ausgeglichen.
Jeder neue Abschnitt der Wanderung wurde zu einem kleinen Abenteuer in einem Abenteuerjahr und eine neue Möglichkeit, ein anderes Gesicht von Wales zu sehen. Es fiel mir schwer, nicht überall anzuhalten, um meine Füße ins Meer zu tauchen; schließlich liegt hinter fast jeder Landzunge ein anderer herrlicher Strand, eine weitere Gelegenheit, meinen Rucksack im Sand zu versenken und sich abzukühlen. Meinen Füßen ging es inzwischen viel besser, ich schaffte immerhin 28 Kilometer pro Tag.
Auf dem Abschnitt der Halbinsel Gower pflückte ich wilden Samphire (Meerfenchel) für meine Käsesandwiches und streichelte die zerzausten Mähnen der halbwilden Ponys, die hier am Rande der Sümpfe umherstreifen.
Vom perfekten Standort der weißen Kapelle in Mwnt, dem Leuchtturm in South Stack, den scheuen roten Eichhörnchen im Newborough-Naturschutzgebiet und den Wellen, die an Worm's Head bei Rhossili branden, war der Küstenpfad voll von wunderbaren Aussichten und unvergesslichen Momenten sowie einer Menge vom Wind zerzauster Selfies. Ich sah zu, wie die Sonne in hundert verschiedenen Farbexplosionen und aus hundert verschiedenen Blickwinkeln im Meer versank.
Die Wanderung machte mir klar, wie stark ich war und wie wichtig es war, Hilfe anzunehmen. Wildfremde Menschen winkten mir zu, grüßten mich, hielten an, um Geld in meine Spendendose zu stecken, und boten mir sogar Unterkunft an.
Ursula MartinDie Wanderung machte mir bewusst, wie stark ich war und wie wichtig es war, Hilfe anzunehmen.“
Insgesamt bin ich 18 Monate gelaufen und habe in Wales mehr als 5955 Kilometer zurückgelegt. Der Küstenpfad war davon ein wunderbarer Teil mit 1400 Kilometern. Ich traf vier andere Wanderer, die die gesamte Strecke zurücklegten – sie liefen im Kreis um die gesamte 1700 Kilometer-Grenze des Landes und waren alle motiviert, Geld für verschiedene Wohltätigkeitsorganisationen zu sammeln.
Das Wandern war ein wunderbares Elixier, das mir nicht nur half, mich nach meiner Krebserkrankung besser zu fühlen, sondern auch eine lebensverändernde Erfahrung, die mir zeigte, dass ich mich selbst motivieren und etwas erreichen kann.
Inspiration & Motivation
Beste Momente
Die unglaublichen Sonnenuntergänge – das ganze Farbspektrum, wenn die Sonne im Meer versinkt.
Unverzichtbare Mitbringsel
Nehmen Sie nur halb so viel Kleidung mit, wie Sie glauben zu benötigen, aber fügen Sie ein zusätzliches Paar Socken hinzu.
Für wen ist die Wanderung ideal?
Jeder, der fit und gesund ist, kann den gesamten Weg wandern, aber man muss gut ausgerüstet sein und viel Zeit und Entschlossenheit mitbringen. Planen Sie unbedingt im Voraus die Routenabschnitte.
Beste Zeit zum Wandern
Ich habe die Wanderung im Winter sehr genossen. Ziehen Sie sich einfach warm an. Es ist sehr belebend!
Die besten Tipps
Vergewissern Sie sich, dass Sie die richtige Kleidung für jede Wetterbedingung haben. Achten Sie auf Ihre Füße. Es ist wichtig, dass sie sauber und trocken bleiben. Und behandeln Sie Blasen sofort.
Die ganze Geschichte können Sie in Ursulas Buch One Woman Walks Wales nachlesen.