Eine Machtdemonstration des Königs
König Eduard I. war ein mächtiger englischer König in der Blüte seines Lebens, als er zur Demonstration seiner Macht und zur anschließenden Eroberung von Wales zahlreiche Befestigungsanlagen in Nordwales bauen ließ, den sogenannten „eisernen Ring“. Mit den Festungen – eine mittelalterliche Warnung, sich an die Regeln des Königs zu halten – sollte die walisische Bevölkerung kontrolliert werden.
Um das Jahr 1280 begann König Eduard I. mit dem Bau von Caernarfon Castle, das er zu seinem Sitz in der Grafschaft Gwynedd machen wollte, die jahrhundertelang Zentrum des Widerstands gegen die englische Krone war. In Caernarfon Castle wurde sein Sohn Eduard II. geboren, der als erster Thronfolger den Titel Prince of Wales trug. Etwa zur gleichen Zeit wurde auch mit dem Bau der beiden anderen eindrucksvollen Burgen in Harlech und Conwy begonnen. Die Kosten für Eduards Machtdemonstration waren beachtlich: rund 90 Prozent des Jahreseinkommens eines Landes wurden dafür aufgewendet. Eduard I. war ein wohlhabender Herrscher von hoher Bildung und dies wollte er durch den Bau der Burgen demonstrieren.
Architektonische Meisterleistung
Eduard I. beauftragte nicht irgendwelche Architekten, sondern keinen geringeren als Jacques de Saint-Georges d’Espéranche aus Savoy in der Nähe des Genfer Sees, einen der größten und wichtigsten Militärarchitekten seiner Zeit. Für die massiven Mauern und achteckigen Türme von Caernarfon Castle wurde verschiedenfarbiger Kalk- und Sandstein verwendet, in den Innenräumen gab es Wandmalereien des Künstlers, dessen Werke bereits die Wände in Westminster Hall in London zierten und die Burgfenster waren verglast. Weitere moderne Annehmlichkeiten waren Bäder, Toiletten und fließendes Wasser.
Doch in erster Linie sollte die Burg beeindrucken und jeden einschüchtern, der es wagten Eduards Autorität in Frage zu stellen. Das King‘s Gate (Haupttor) war so konzipiert, dass es mit einer Zugbrücke und nicht weniger als sechs Fallgittern verteidigt werden konnte sowie durch Schießscharten und Gußlöcher, durch die heiße Flüssigkeiten und Gegenstände auf Angreifer geschleudert werden konnten.
Noch heute eindrucksvoll
Diese, von den Engländern erbaute Burg, ist heute einer der größten architektonischen Schätze in Wales. Wenn man sich der Festung nähert, wird deutlich, wie bedrohlich und furchteinflößend sie im Mittelalter gewirkt haben muss. Das Castle steht an der Mündung des Flusses Seiont und dominiert das kleine Städtchen Caernarfon, das bis heute von der mittelalterlichen Stadtmauer aus dem 17. und 18. Jahrhundert umgeben ist.
Sobald man den Burghof betritt, wird die eindrucksvolle Größe deutlich. Auf der Rasenfläche fand 1969 die Investitur von Prinz Charles, dem heutigen König Charles III., zum Prince of Wales statt. Vom hohen Eagle Tower aus hat man einen wunderbaren Rundumblick über die Stadt, auf die Menai Strait und zur Insel Anglesey.
Die Kelten und die Römer
Auch die Gegend um Caernarfon ist von großem historischen Interesse. Sie ist seit der Zeit der Kelten bewohnt und wurde um das Jahr 70 v. Chr von den Römern eingenommen. Auf einer Hügelkuppe östlich der Burg kann man heute noch die Umrisse und Überreste des römischen Kastells Segontium sehen, das um 77 n. Chr. gegründet wurde, um eintausend Infanteristen zu beherbergen. Es war etwa drei Jahrhunderte lang bewohnt.